Ich bin ja nicht tüchtig. Wäre ich das, hätte ich mindestens jeden dritten Monat eine Weiterbildung im Programm, ich hätte nicht seit bald zwei Jahrzehnten dieselbe berufliche Teilzeitlückenbüsserinnen-Funktion und das dazu noch mit sinkendem Salär. Mein Haus wäre aufgeräumt, mein Garten entunkrautet und meine Kondition gestählt. Längst hätte ich eine Hecke gepflanzt und ein Buch geschrieben - oder meinte Konfuzius „ein Haus bauen und einen Sohn zeugen“? Eben: Wäre ich tüchtig, könnte ich 923987 Sprichwörter korrekt auswendig und ich würde mich an alle Bücher erinnern, die ich je gelesen habe.
Aber ich habe einfach keine Zeit, um so richtig tüchtig zu sein. Mein Tag ist irgendwie immer so voll wie unsere verstopfte Dachrinne. Natürlich sind das - am Rand der in den Tag gequetschten Arbeitsblöcke 2 und 3 - so profane Dinge wie: einkaufen. Wäsche waschen. Staubsaugen. Kochen. Hausaufgaben kontrollieren und Termine koordinieren. Beim Einkaufen Frau Tschumi (78) nett zuhören, wenn sie von ihren Blutfettwerten erzählt (37 Minuten). Belustigt den täglichen Plänen des Bären lauschen, wie er sich einen Nintendo Wii verdienen will (23 Minuten) und warum er unbedingt japanisch lernen möchte. Und dem Wolf, wenn er über seine Visonen von einer WG mit dem Bären referiert (31 Minuten).
Das ist wunderbar (nicht die Blutwerte, die Pläne und Visionen). Aber es hält mich einfach vom Tüchtigsein ab. Ich meine: das ist mehr als eine Stunde, in der ich zum Beipiel 82376 Spanischwörter lernen könnte. Oder in Arbeit 2 und 3 investieren, damit es mit meiner Karriere endlich mal vorwärtsgeht. Allerdings hätte ich dann weitaus weniger Zeit für Wolf und Bär. Aber dieses Problem werde ich auch noch lösen – wenn ich nur endlich tüchtig werde.
chamäleon123 - 20. Aug, 08:47