...

Ich weiss nicht, warum wir plötzlich alle das Bedürfnis zu haben scheinen, besonders bemerkenswert zu sein. Natürlich: immer mehr Hektik und Fremdbestimmung, wir versinken in der Masse der angestrengt Arbeitenden und ebenso angestrengt Konsumierenden und haben zum leben gar nicht mehr so richtig Zeit. Zumal wir uns - eben - vor nichts mehr fürchten, als davor, langweilig zu scheinen. Deshalb springen wir an Seilen von Brücken in der übrigbleibenden Zeit, die wir hoffnungsvoll als Freizeit bezeichnen. Und wenn wir einen Kerzenständer aus Rauchglas beim Christmas-Shopping in New York erstehen, freuen wir uns ungleich mehr darüber, als wenn wir ihn im Manor um die Ecke gekauft haben. Weil: wir stellen ihn auf, den Kerzenständer, und freuen uns sehr auf die Geschichte, die wir dazu erzählen können, wenn jemand beiläufig sagt: "Hübsch, dieser Kerzenständer."
Überhaupt dekorieren wir unsere Wohnungen wahnsinnig gerne. Leider gilt es als extrem langweilig, dann zuviel Zeit in der stimmig eingerichteten Wohnung zu verbringen. "Was machst Du eigentlich die ganze Zeit abends?", fragte mich kürzlich jemand entgeistert, als ich eine Einladung zum Bier in einer der Bars der sehr kleinen Stadt ablehnte. Dabei trinke ich sehr gerne Bier mit Leuten, auch in Pubs oder Bars. Oder Mineralwasser, Kaffee, was weiss ich. Aber hier, in der sehr kleinen Stadt? Ich finde das langweilig. "Man trifft Leute!" lockte der Bekannte. Ehrlich gesagt: ich schaue lieber aus dem Fenster und beobachte den keckernden Eichelhäher, wie er sich mit den Elstern um das Futter des Katers streitet. Ich bin gar nicht sooo ungern langweilig.
muellerto - 7. Nov, 09:55

Es gibt wahnsinnig viele Eichelhäher dieses Jahr. Ich seh manchmal vier Stück auf einmal. Und alle haben immer irgendwas zu tun.

Im ersten Absatz steckt ein ganz unverhüllter Gedanke Hannah Arendt. Mir wird langsam bisschen unheimlich.

chamäleon123 - 10. Nov, 13:24

Ach, Hannah Arendt. Ich habe mich so bemüht, Vita activa zu lesen. Aber es liegt noch immer auf dem Stapel. Nein, das ist geflunkert. Es ist ein Werk, das mir meine intellektuellen Grenzen aufzeigt. Vielleicht bin ich später im Leben klug genug, es zu lesen.
Bitte, erklären Sie mir doch den Gedanken. Unheimlich braucht Ihnen nicht zu sein. Ich bin ganz bodenständig.
muellerto - 12. Nov, 11:58

Ja, Vita activa (ich weiss, es zieht sich). Darin die Idee, dass Lohnarbeit und Konsum letztendlich Synonyme sind, ein und dasselbe, nur aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln, und deshalb nicht von einander zu trennen. Und dass eben alles dem einen oder dem anderen zum Opfer fällt, sofern man sich darauf einlässt und heute ein ehrbares Mitglied der Gesellschaft sein will.
diefrogg - 7. Nov, 11:58

Sehr passender Kommentar...

zum Klassentreffen, das ich gestern Abend hatte. Was soll man den Leuten von sich erzählen, wenn man die meiste freie Zeit auf Spaziergängen in den nahen Wäldern verbringt, abends fernsieht und Bücher liest und keinen aufregenden Karrieresprung vor oder hinter sich hat?

chamäleon123 - 10. Nov, 13:38

Ja, Klassentreffen! Und von sich erzählen! Ich war erst an einem einzigen (!) Klassentreffen und habe fast ausschliesslich zugehört und nachgefragt. Mein Klassentreffen war sehr seltsam, wir sind schliesslich Ü40 und die mit Karrieresprung waren verhindert, weil in New York. Von den anderen war ein gutes Drittel frisch geschieden und betrank sich, ein weiteres Drittel klagte deprimiert über das fortschreitende Alter. MIt dem verbleibenden Drittel plauderte ich und tauschte Reminiszenzen aus. Ich ging früh nach Hause, um noch ein bisschen fernzusehen und zu lesen. Im Wald war es schon zu dunkel zum Spazieren.
De Botton hat sicher selber auch verstohlen ein bisschen geprahlt. Helene, Theodor und Undine hätte ich jedenfalls gerne ausgefragt.
Lilli legt los - 8. Nov, 18:27

Sie sind kontemplativ, nicht langweilig. Das ist ein Konzept, das vielen Leuten, die sich in ihrer Freizeit mit Extremsportarten dopen, völlig unverständlich bleibt... oder vielleicht ist es gar kein Konzept, sondern ein Gen.

chamäleon123 - 10. Nov, 13:46

Zum Glück, weil ich meistens konzeptlos bin oder den Zettel mit dem neusten Konzept grad nicht finde...


gelesen:


Michael Robotham
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Simone Buchholz
Bullenpeitsche


John Williams
Stoner


Stephen King
Doctor Sleep


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Das CHAMÄLEON wechselt natürlich ständig die Farbe. Es läuft öfters rot an vor Wut wenn es wieder einmal an allem schuld sein soll, wird höchstens gelb vor Neid wenn es Reiseberichten anderer Leute zuhört oder ist ab und zu blau, weil es immer mal wieder die Luft anhalten soll. Der KLEINE BÄR ist mittlerweile gar nicht mehr sooo klein und muss derzeit hauptsächlich mit List und allerlei Tücke von seinem Nintendo Wii weg und zu den übrigen Freuden des Lebens hingeführt werden. Er verbringt gerne viel Zeit in seiner kuschligen Bärenhöhle und hält Schule für eine schlimme Verschwendung seiner Zeit. Der Bär ist von sanftem Charakter, aber ausserdordentlich eigensinnig. Und manchmal brummt er gehörig. Der KLEINE WOLF ist für jede Aktivität zu haben - ausser manchmal für Geschirrspülmaschine ausräumen. Er legt gerne weite Strecken zurück, auch in Wander- oder Schlittschuhen - und jagt unermüdlich nach süssem Naschwerk. Ab und zu knurrt er grimmig, heult wild und zeigt die Zähne. Macht aber gar nichts. Der LIEBSTE schliesslich ist eben einfach der Liebste. Meistens jedenfalls. Ferner wären da noch das überaus treue SCHLECHTE GEWISSEN. Und natürlich ERNST...

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