Gratis und franko habe ich ein neues Handy bekommen, ohne Abo und Klingeltondauerauftrag. Mein altes Telefonino, beschied man mir, sei altmodisch und so was von out. Nicht, dass ich mich nicht gefreut hätte, ehrlich. Denn tatsächlich präsentierte sich das Second-Hand-Neue nicht nur in einem megavielcooleren Outfit, sondern auf den ersten Blick auch leistungsfähiger und effizienter. Ich würde damit nicht nur telefonieren können, sogar viel schneller als vorher, sondern auch Radiohören, Musik draufloaden und möglicherweise sogar im Internet rumsufen. So geil.
Ich machte mich also mit Feuereifer daran, das Neue mit den alten Adressdaten zu pimpen und erste Erfolgsgefühle durchrauschten meine Adern, als ich dem Liebsten das erste SMS schicken konnte. Nur: in den folgenden Tagen zuckte ich nicht nur jedesmal dramatisch zusammen, als sich das trendige Handy mit dem ungewohnten Klingelton "Thriller" meldete. Ich suchte auch hektisch nach dem richtigen Schalter für den Anrufempfang und war unsicher, welches der 79087 Mikrofonöffnungen ich nun ans Ohr und welches vor die Sprechanlage an meinem Kopf halten sollte.
Schon am dritten Tag kapitulierte ich und klaubte heimlich die SIM-Karte aus dem Trendigen raus und ins Uncoole wieder rein. Der Wechsel schien mir - so kurz nach dem grässlichen Gespräch mit dem Chef - plötzlich allzu sinnbildlich und eine warme Welle der Solidarität mit dem zuverlässigen, aber altmodischen Gerät überflutete mich: "Ich bin wie Du", flüsterte ich ihm zu und steckte es trotzig wieder in meine Tasche. Dem Coolen auf dem Tisch warfen wir einen verächtlichen Blick zu, bevor wir den Raum verliessen - um endlich in Ruhe zu telefonieren.
chamäleon123 - 12. Nov, 20:37