amen

Ich war ein wenig befangen. Würde mich der berühmte Hohepriester mit einem Blick aus seinen dunklen, geheimnisvollen Augen weihen? Und würde ich das Richtige tun? Schliesslich war es lange her, seit ich das letzte Mal eine Kirche betreten hatte. Und die komplizierten Rituale – der demütige Kniefall im richtigen Moment, die gemurmelten Antworten auf den feierlichen Sermon des Priesters und die korrekten Handzeichen – die angestrengte Konzentration darauf hatte mich schon als Kind von der vorgeschriebenen Besinnung abgehalten. Trotzdem liess ich mich von einem Besuch nicht abhalten – ich meine: die Lage! Der Ort! Die Stadt! Die Adresse nämlich adelte den Tempel um ein Vielfaches: mitten am Pariser Prachtboulevard Champs-Elysées.

Mit einem ängstlichen Blick zu den beiden grimmigen Messdienern an der Türe betrat ich also den Tempel. Und erstarrte in Ehrfurcht. Die Erbauer hatten keinen Aufwand gescheut, der hier praktizierten Religion mit irdischer Pracht zu huldigen: an den Wänden edle Natursteinplatten, zweifellos aus den entferntesten Winkeln der Erde an diesen heiligen Ort gebracht, am Boden erlesenste Materialien. Kostbare Lampen hüllten den riesigen Raum in feierliches Licht, unzählige Messdienerinnen und -diener bewegten sich mit andächtiger Geschmeidigkeit in den grossen Hallen und stiegen lautlos die sanft geschwungenen Treppen auf und nieder.

Schüchtern und wie alle anderen Besucher den Blick züchtig gesenkt huschte ich durch den Raum, nickte hier und da und lächelte bescheiden. Die Priesterinnen hinter den zahlreichen Altären lächelten zwar ebenfalls. Aber ich wusste von früher: hinter dem Lächeln lauerte Strenge. Und diesmal wollte ich nichts falsch machen. Ich trat also vor den Altar meiner Wahl. Sprach die Worte. Erntete einen missbilligenden Blick und dennoch war mir Erfolg beschieden. Ich beendete das Ritual mit einer symbolischen Kniebeuge, besiegelte meine Handlungen mit dem rituellen Getränk und verliess den Tempel, nicht ohne einen Blick zurück zu werfen.

Wie konnte ich je Zweifel hegen? Das hier verkörperte die machtvolle Religion unserer Zeit: der Glaube an die Macht der Kaufkraft, die unheilige kapitalistische Gier und die allumfassende ewige Macht der Werbung.
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Das CHAMÄLEON wechselt natürlich ständig die Farbe. Es läuft öfters rot an vor Wut wenn es wieder einmal an allem schuld sein soll, wird höchstens gelb vor Neid wenn es Reiseberichten anderer Leute zuhört oder ist ab und zu blau, weil es immer mal wieder die Luft anhalten soll. Der KLEINE BÄR ist mittlerweile gar nicht mehr sooo klein und muss derzeit hauptsächlich mit List und allerlei Tücke von seinem Nintendo Wii weg und zu den übrigen Freuden des Lebens hingeführt werden. Er verbringt gerne viel Zeit in seiner kuschligen Bärenhöhle und hält Schule für eine schlimme Verschwendung seiner Zeit. Der Bär ist von sanftem Charakter, aber ausserdordentlich eigensinnig. Und manchmal brummt er gehörig. Der KLEINE WOLF ist für jede Aktivität zu haben - ausser manchmal für Geschirrspülmaschine ausräumen. Er legt gerne weite Strecken zurück, auch in Wander- oder Schlittschuhen - und jagt unermüdlich nach süssem Naschwerk. Ab und zu knurrt er grimmig, heult wild und zeigt die Zähne. Macht aber gar nichts. Der LIEBSTE schliesslich ist eben einfach der Liebste. Meistens jedenfalls. Ferner wären da noch das überaus treue SCHLECHTE GEWISSEN. Und natürlich ERNST...

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