Montag, 29. März 2010

neighbours Vol. 98734987

Als ich meine Nachbarin zum ersten Mal traf, machte sie einen sarkastischen Witz und ich freute mich sehr darüber. Nachbarn, dachte ich, sind etwas Wichtiges und Nachbarinnen mit etwas schrägem Humor sind geradezu unbezahlbar. Wir scherzten also über Baum- und Hausgeister und erst nach dem zweiten Witzchen meinerseits merkte ich, dass mein Gegenüber nicht amüsiert war. Es war ihr ernst mit den Geistern, es war ihr sogar sehr ernst, denn sie arbeitete, unter anderem, als Geistheilerin und Feng-Shui-Beraterin. Ich schluckte leer, denn die Nachbarin war nicht nur meine ziemlich unmittelbare Nachbarin, sondern sie hatte einen Sohn an der Hand, der genauso alt wie der kleine Bär damals war.

Der Kleine, nennen wir ihn Attila, klammerte sich an den kleinen Bären mit der Inbrunst eines gelangweilten Einzelkindes. Attilas älterer Bruder war nicht nur 15 Jahre älter als er, sondern hatte auch ein Faible für Videospiele. Und der kleine Attila, davon konnte ich mich bald selber überzeugen, schien manche Blut- und Eingeweide-Games schon im zarten Vorschulalter gelehrig verinnerlicht zu haben. Fortan spielte er mit dem kleinen Bären Enthaupten und Aufschlitzen in unserem Sandkasten und natürlich war der Bär über alle Massen begeistert. Als auch der kleine Wolf im Schwertschwingeralter war, wurde er sofort in die Geheimnisse der Orks, Hexenkönige und Drachen eingeweiht und das Gemetzel ging im Garten der Nachbarin weiter, als ich ein drastisches Innereienverbot aussprach und Attilas blutrünstige Fantasien in bekömmlichere Bahnen lenken wollte. Die Nachbarin mochte Magier und Kobolde und ihre Ruhe, die Spiele blieben ungestört.

Trotz harmonisierender Inneneinrichtung trennte sich die Nachbarin nach ein paar Jahren vom Nachbarn und zog samt Attila, seinem Spielkonsolenbruder und dem Feng-Shui-Zimmerbrunnen ein paar Ortschaften weiter. Attila, mittlerweile ein kleiner Erstklässler, schaute 98237987mal „Herr der Ringe“ und köpfte mit seinen Konsolenknöpfen 6788 Millionen Gegner unds verbrachte die Wochenenden im Nachbarhaus bei seinem Vater, dazwischen rief er bei uns an, um Treffen mit dem kleinen Bären zu vereinbaren. Täglich, auch Sonntags, wir entwickelten erste Anzeichen einer Attila-Paranoia und starrten schon morgens hohläugig auf das Telefon. Ignorieren nutzte nichts, denn kaum bewegte sich ein Vorhang an des Bären Fenster verliess Attila seinen nachbarlichen Beobachterposten und klingelte 3,5 Sekunden später an unserer Haustüre. Er blieb, bis man ihn nach Hause schickte und wenn man ihn nicht nach Hause schickte, schlief er eben neben dem Bett der Bären auf einer Matratze und niemand rief an, um zu fragen, wo er wohl sei. Wir waren, das konstatierten wir im Lauf der Jahre mehrmals wöchentlich wutschnaubend, stillschweigend als flexible und ausserordentlich praktische Kinderbetreuungsmöglichkeit gebucht. Ich führte „so-geht-das-ja-nicht“ und „ich-hätte-wirklich-gerne-dass“ Gespräche mit Attilas Eltern, sie hörten mir freundlich zu, gaben mir Tipps für mehr Gelassenheit und Attila rief eine ganze Woche lang nur noch zweimal täglich an.

Der kleine Bär, ein sehr freundlicher Bär, weiss nicht so recht, was er von der Sache halten soll. Die Anrufe und die vielen Besuche sind ihm lästig, brummt er, aber die Konsolenspiele im unbeelterten Nachbarhaus– man ist ja kein Heiliger und drückt auch gerne mal so ein paar Orks weg. Und der Bär ist ein loyaler Freund. Er hält zu Attila, auch wenn dieser nervt und der Bär der ewigen Massakergespräche etwas überdrüssig ist. Und er sagt nicht gerne „Nein“, obwohl ich ihm versichere, dass das ein ebenso wichtiges Wort ist wie „Ja klar.“ Attila verbringt jetzt die Frühjahrsferien im Nachbarhaus, derweil der Vater tagsüber arbeitet und die Mutter Kurse zur Harmonisierung der häuslichen Energieströme durchführt. Wir sind ja da. Aber vielleicht frage ich sie mal, ob noch ein Kursplatz frei ist.


gelesen:


Michael Robotham
Sag, es tut dir leid


Simone Buchholz
Bullenpeitsche


John Williams
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Paul Auster
Winter Journal

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Das CHAMÄLEON wechselt natürlich ständig die Farbe. Es läuft öfters rot an vor Wut wenn es wieder einmal an allem schuld sein soll, wird höchstens gelb vor Neid wenn es Reiseberichten anderer Leute zuhört oder ist ab und zu blau, weil es immer mal wieder die Luft anhalten soll. Der KLEINE BÄR ist mittlerweile gar nicht mehr sooo klein und muss derzeit hauptsächlich mit List und allerlei Tücke von seinem Nintendo Wii weg und zu den übrigen Freuden des Lebens hingeführt werden. Er verbringt gerne viel Zeit in seiner kuschligen Bärenhöhle und hält Schule für eine schlimme Verschwendung seiner Zeit. Der Bär ist von sanftem Charakter, aber ausserdordentlich eigensinnig. Und manchmal brummt er gehörig. Der KLEINE WOLF ist für jede Aktivität zu haben - ausser manchmal für Geschirrspülmaschine ausräumen. Er legt gerne weite Strecken zurück, auch in Wander- oder Schlittschuhen - und jagt unermüdlich nach süssem Naschwerk. Ab und zu knurrt er grimmig, heult wild und zeigt die Zähne. Macht aber gar nichts. Der LIEBSTE schliesslich ist eben einfach der Liebste. Meistens jedenfalls. Ferner wären da noch das überaus treue SCHLECHTE GEWISSEN. Und natürlich ERNST...

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